Stadtoase mit Geschichte

Keine halbe Stunde von Bern entfernt im charmanten Biel, liegt mitten in einem verwunschenen Garten die Villa Lindenegg. Einst Fabrikantenvilla ist das Ensemble aus Restaurant, Hotel und Garten heute ein Rückzugsort im urbanen Raum, der zum Geniessen und Verweilen einlädt, so die Webseite.

Dass hier nicht ansatzweise zu viel versprochen wird, ist bei unserem Besuch bereits von weitem klar und wird mit jeder Stunde, die wir im und ums Haus verbringen, nur noch deutlicher.

Das Kies, das auf dem Weg zum Eingang unter den Schuhen knirscht, die Bank direkt daneben, Parkett und Tapete im Speisesaal, in unserem Zimmer die Fensterbänke mit den nonchalantesten Samtkissen, auf denen wir je gesessen haben, dazu eine im genau richtigen Mass verwitterte Terrasse, mit Liegestühlen, die wir am liebsten für zuhause einpacken würden, der Schaumwein vom Ligerzer Weingut am Stägli (allein der Name), Dinkelgipfeli, Mirabellenkonfitüre und Käse-Auswahl beim Zmorge, überhaupt das Zmorge, die kreative, aber nie überkandidelte Küche am Mittag und am Abend, die Lichter an der Fassade, der Ausblick, egal von welchem Zimmer und immer und immer wieder – Lucie Kunz, Florian Heiniger und ihr grandioses Team.

Immer zur Stelle, nie aufdringlich und ebenso charmant wie herzlich, machen sie aus all dem Kleinen und Grossen ein so wunderbares und stimmiges Ganzes, dass wir, gäbe es eine solche, ohne zu zögern, eine Zehnerkarte lösen würden.

Von der Stadt Biel zur Pacht übernommen hat die aktuelle Crew das Bjiou gewissermassen eben erst, im Frühling 2020, pünktlich zu Pandemie- und Lockdown-Beginn. Zuvor hatten Lucie und Florian die Villa Lindenegg mit ihrem Catering Formitable von Februar bis Juli 2019 in einer Zwischennutzung bespielt und sich danach als neue Pächter beworben.

Nachdem es lange die catering-typischen wechselnden Orte waren, die Lucie und Florian so schätzten, zeigte das Gastspiel, dass ein fixes Arbeitszuhause zur Abwechslung eine schöne Sache wäre. Und so brachten sie, als der in die Jahre gekommene Bau zwischen Zwischennutzung und definitiver Schlüsselübergabe saniert und aufgefrischt wurde, mit viel Vergnügen und Gespür ihre Ideen ein.

Für Lucie eine Zeitreise in die eigene Familiegeschichte: Bevor die Villa in den Stadtbesitz überging, gehörte sie ihrem Urgossvater Robert Grünig. Sie kehrt mit dem neuen Pächter-Duo also zurück zu ihren Wurzeln. Die heutige Erscheinung der Innenräume wiederum, die hat ihren Ursprung in Grünigs Lindenegg-Zeit. Die schönen Geschichten, sie finden sich hier überall.  

Wunderbar auch: Dass Lucie und Florian keine gelernten Gastronomen, sondern einstige Studierende der Kunst respektive Deutschen Literatur sind, darauf wären wir nicht im Traum gekommen. Zu ausgeprägt ihr Flair fürs Gastgeben, zu grossartig ihre Kochkunst, zu respektvoll ihr Umgang mit der Liegenschaft. Vielleicht, so ihre Vermutung, sei es ihr fachfreies Herangehen an Gastronomie und Hotellerie, welches all das ausmache. Vielleicht haben sie mit der Villa Lindenegg auch einfach ihre Bestimmung gefunden. Was immer es ist: Es geht direkt ins Herz und von dort, so zumindest unsere Erfahrung, nicht mehr weg.